Wie Abb. 5 deutlich macht, ist das Wachstum der »faulen Kredite« sehr stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der Situation am Arbeitsmarkt verbunden. In den nächsten zwei Jahren ist in dieser Hinsicht aufgrund der extrem restriktiven Fiskalpolitik keine Entspannung in Sicht. Stattdessen wird die Arbeitslosenquote nach unserer Prognose von aktuell 24,1% in Richtung 28,0% (Ende 2013) anziehen. Im Einklang damit gehen wir davon aus, dass die Quote der zweifelhaften Kredite den letzten Hochpunkt (Februar 1994: 9,2%) überspringt und mindestens 12% erreicht. Kann das spanische Bankensystem diese Erschütterung abfedern, zumal der anhaltende Immobilienpreisverfall auch noch den Wert der Sicherheiten schmälert?
Spanien ist sicherlich besser auf eine Verschärfung der Bankenkrise vorbereitet als seinerzeit Irland. So wurde bereits im Juni 2009 der
FROB (
Fund for Orderly Bank Restructuring) gegründet, mit dessen Hilfe vor allem der Sparkassensektor neu geordnet wurde. Die Zahl der »Cajas« ist mittlerweile von 45 auf 17 geschrumpft. 2011 forderte die spanische Regierung überdies alle Banken auf, eine Kernkapitalquote von 8,0% anzustreben. Ganz entscheidend sind schliesslich zwei Verordnungen (vom Juni 2008 bzw. Februar 2012), mit denen die Banken dazu angehalten wurden, ihre Wertberichtigungen auf zweifelhafte Forderung (insbesondere Kredite an die Bauwirtschaft) bis Ende 2012 um mehr als 150 Mrd. EUR aufzustocken.
[6] Lange Zeit sah es danach aus, als ob dies ohne weitere staatliche Kapitalhilfe möglich ist. Das viertgrösste spanische Institut »BFA-Bankia« musste nunmehr aber doch um öffentliche Hilfe ersuchen (4,5 Mrd. EUR). Ein Einzelfall oder nur die Spitze des Eisbergs? Ein einfacher Stresstest soll darauf Antwort geben, wobei folgende Annahmen unterstellt werden:
- 15% aller Kredite an Unternehmen und Privatpersonen fallen in den nächsten Quartalen aus, was einem Betrag von 260 Mrd. EUR entspricht. Mit dieser hohen Ausfallrate gehen wir noch über unsere obige Prognose (12%) hinaus.
- Die Kredite sind in der Regel mit Immobilien besichert. Aufgrund des Immobilienpreisverfalls liegt der Wert der Sicherheiten im Mittel nur noch bei 50% der vereinbarten Kreditsummen, mit anderen Worten: Der tatsächliche Abschreibungsbedarf summiert sich auf 130 Mrd. EUR.[7]
Bedenkt man, dass die Banken in den vergangenen Jahren bereits Rückstellungen von über 100 Mrd. EUR gebildet haben, müsste das System diese Verluste weitgehend abfangen können. Es kommt allerdings noch ein Problem hinzu, das bislang ausgeklammert wurde. Neben den Hypothekenkrediten besitzen die Banken auch ein Portfolio an Immobilien, das ihnen im Wege von Zwangsversteigerungen oder Sondervereinbarungen mit Kreditnehmern zugegangen ist. Schätzungen gehen davon aus, dass der entsprechende Immobilienbestand einen Buchwert von 80 bis 100 Mrd. EUR aufweist.
[8] Bei 50% Wertverlust resultiert hieraus ein zusätzliches Risiko von 50 Mrd. EUR. Alles in allem dürfte unter der Annahme eines weiteren Immobilienpreisverfalls und kräftig anziehender Kreditausfälle die Kapitallücke der spanischen Banken bei ca. 50 Mrd. Euro liegen. Dies ist zwar nicht wenig, in Relation zum BIP sind es aber »nur« 5,0%. Der irische Staat musste seinen Banken bislang 70 Mrd. EUR zuschiessen, was über 40% des irischen BIPs darstellt. Der spanischen Regierung wurde bisher vorgeworfen, dass sie es versäumt habe, mit einem grossen Befreiungsschlag im Bankensektor reinen Tisch zu machen. Diese zögerliche Haltung lässt sich – wie unten ausgeführt – mit der angespannten Lage des öffentlichen Haushalts erklären. Die neu bekanntgegebenen Massnahmen vom 11. Mai stellen in dieser Hinsicht eine Kurskorrektur dar. Alle Banken werden darin verpflichtet, ihre Rückstellungen auf Immobilienkredite nochmals um 30 Mrd. EUR zu erhöhen und gleichzeitig ihre zweifelhaften Immobilienbestände in Auffanggesellschaften auszulagern. Zwei unabhängige Expertenteams sollen sicherstellen, dass die Übertragung der Assets auf die »Bad Banks« zu realistischen Preisen erfolgt. Dabei anfallende Verluste bei den Banken werden notfalls durch staatliche Kapitalhilfen ausgeglichen.
Es bleibt abzuwarten, ob dies tatsächlich den grossen Wurf darstellt. So hat der Finanzminister bereits beschwichtigend deutlich gemacht, dass die Regierung nur mit einer vergleichsweise kleinen Summe (15 Mrd. EUR) an zusätzlichen öffentlichen Kapitalhilfen für die Banken rechnet.
[6] Gemäss
Banco de España wurden zwischen Juni 2008 und Februar 2012 112 Mrd. EUR Wertberichtigungen vorgenommen. Bis zum Jahresende sollen weitere Abschreiber von 38,3 Mrd. EUR auf das stark ausfallgefährdete Kredit- portfolio der »Immobilienentwickler« hinzukommen.
[7] Eine 100%-Beleihung von Immobilien ist in Spanien keineswegs üblich. Gemäss der spanischen Notenbank liegt der durchschnittliche Beleihungswert bei Hypothekenkrediten nur bei 62%.
[8] Die
Banco de España hat in einem Prüfbericht zum Sparkassensektor, der rund die Hälfte des spanischen Kreditgeschäfts trägt, einen Wert von 40 Mrd. EUR angesetzt.