Jean-Claude Trichet lässt dementsprechend keine Gelegenheit aus, um mit Stolz auf den Erfolg der Notenbank hinzuweisen. Demnach lag die Teuerungsrate der Eurozone zwischen 1998 und Mitte 2010 bei durchschnittlich 1,9 % und damit exakt auf dem Inflationsziel (vgl. Abb. 5). Wie glaubwürdig die EZB ist, zeigt sich auch in den langfristigen Inflationserwartungen, die sich laut Survey of Professional Forecasters (SPF) seit Beginn der Währungsunion in einem engen Korridor zwischen 1,8 % und 2,0 % bewegen.
Nicht verschwiegen werden darf aber auch, dass der Konsens hinsichtlich des Vorrangs von Preisstabilität in der Geldpolitik zuletzt von prominenter Seite aufgebrochen wurde. So schlug im Februar dieses Jahres der Chefökonom des IMF
Olivier Blanchard vor, dass die Notenbanken ihre Inflationsziele von derzeit um die 2,0 % in Richtung 4,0 % anheben sollten. Dies würde ihnen in einer schweren Wirtschaftskrise grösseren Spielraum verschaffen, geldpolitisch zu reagieren. Vor allem könnten die Realzinsen stärker gesenkt werden.
Innerhalb der EZB findet diese Empfehlung jedoch keinerlei Rückhalt. Mehrere Ratsmitglieder (Jean-Claude Trichet, Axel Weber, Lorenzo Bini Smaghi, Jürgen Stark, Athanasios Orphanides) haben vehement dagegen opponiert und von einem »Spiel mit dem Feuer« gesprochen. Sie warnen, dass eine diskretionäre Anhebung des Inflationsziels der Glaubwürdigkeit der Notenbank nachhaltig schaden und zu ausufernden Inflationserwartungen führen könnte. Eine Änderung des Notenbankmandats, welches das Tor zu höherer Inflation öffnet, ist daher in unseren Augen extrem unwahrscheinlich. Die EZB wird vielmehr auch in den kommenden Quartalen darum bemüht sein, die Teuerungsrate bei 2,0 % zu stabilisieren.